Kunst in der City

Alles begann an einem Eigentümeranlass...

Interview mit Barbara Hennig Marques, Präsidentin Visarte Zentralschweiz 

Mit einer Vernissage wurde das erste Projekt von «Kunst in der City» eröffnet. An der Gerbergasse 8 (beim Stiefelplatz) bekommen die leeren Schaufenster des ehemaligen Coiffeur-Geschäfts vorübergehend neues Leben: Der Künstler Achim Schroeteler zeigt unter dem Titel «unter worten» Zeichnungen und Malereien – und belebt damit dieses charmante Plätzchen der Stadt Luzern, während im Hintergrund weiter nach neuen Mieter:innen gesucht wird. Diese kreative Zwischennutzung ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen Visarte Zentralschweiz und dem City-Management Luzern. Weitere ähnliche Projekte sind in Planung und sollen ebenfalls zur Belebung der Innenstadt beitragen. 

Liebe Barbara, als Präsidentin von Visarte Zentralschweiz hast du die Idee eingebracht, leerstehende Flächen in der Luzerner Innenstadt künstlerisch zu nutzen. Wie kam es dazu? 
Im vergangenen Herbst habe ich bei einer Veranstaltung für Luzerner Eigentümer:innen von Liegenschaften einen Vortrag von Erich Felber gehört – eingeladen hatte Stadträtin Franziska Bitzi. Bis dahin hatte ich ehrlich gesagt noch nie vom City-Management gehört. Als ich dann hörte, dass es darum geht, die Innenstadt als attraktiven Ort zum Wohnen, Einkaufen, Arbeiten und Ausgehen zu gestalten, dachte ich sofort: Da fehlt etwas Zentrales – nämlich Kunst. Die Idee eröffnet eine klassische Win-Win-Win-Situation: Die Luzerner City wird durch künstlerische Interventionen belebt, die Sichtbarkeit von Kunstschaffenden wird gefördert und leerstehende Lokale sowie der öffentliche Raum werden aufgewertet – inklusive positiver Werbewirkung für eine mögliche Nachnutzung. 

Wie kam es zur konkreten Zusammenarbeit mit dem City-Management Luzern? 
Ich habe Erich Felber beim Apéro angesprochen, und er zeigte sich sofort offen gegenüber der Idee. Kurz darauf trafen wir uns zu einem gemeinsamen Gespräch, bei dem ich ein erstes Konzept ausgearbeitet habe. Daraus entstand ein informatives Handout, das Eigentümer:innen über das Potenzial einer künstlerischen Zwischennutzung informiert – sei es für Schaufenster oder ganze Ladenflächen. 

Wie wurde das erste Projekt von den Kunstschaffenden aufgenommen? 
Die Resonanz war durchwegs positiv. Künstler:innen wollen ausstellen – und selbst ein einzelnes Schaufenster bietet dafür eine tolle und inspirierende Möglichkeit. Das Projekt «Kunst in der City» schafft Sichtbarkeit, belebt die Innenstadt und bringt Kunst dorthin, wo Menschen unterwegs sind – ganz ohne Eintritt und Schwellenangst, dafür mit Überraschungsmoment! 

Warum fiel die Wahl für das erste Projekt auf Achim Schroeteler? 
Wir hatten die Schaufenster an der Gerbergasse 8 via Visarte-Newsletter ausgeschrieben und erhielten innert zwei Wochen sieben starke Bewerbungen von Aktivmitgliedern. Nach intensiver Auseinandersetzung haben wir uns für Achims Projekt entschieden – aus inhaltlichen und praktischen Überlegungen: 
Er bespielt alle sechs Schaufenster mit einer konzeptuellen Einheit, was dem Ort eine starke visuelle Präsenz verleiht. Inhaltlich greift seine Arbeit Themen auf, die gut zur Schaufenstersituation passen: Seine Zeichnungen und Malereien handeln von dem, was unter der Oberfläche von Worten und Bedeutungen liegt – sie laden Passant:innen ein, innezuhalten und genauer hinzuschauen. Hinzu kommt seine pragmatische Herangehensweise – er konnte sehr kurzfristig auf die organisatorischen Rahmenbedingungen reagieren, was gerade in diesem konkreten Fall entscheidend war. An anderen Standorten könnten Zwischennutzungen auch als work in progress mit mehr zeitlichem Spielraum gedacht werden – hier jedoch war eine schnelle, flexible Umsetzung zentral. 

Könnte sich diese Art von Zwischennutzung längerfristig etablieren? 
Das wäre wunderbar! Dann bräuchten wir von Visarte wohl ein eigenes Kunst-in-der-City-Management (lacht). 

Was muss eine Leerstandsfläche mitbringen, um sich als temporäre Galerie zu eignen? 
Die Fläche sollte gut einsehbar und öffentlich zugänglich sein – im Idealfall mit Schaufenstern zur Strasse hin. Licht, ein Stromanschluss und ein gewisser Schutz vor Vandalismus sind hilfreich. Ebenso ist es je nach Projekt wichtig, dass einfache Eingriffe – etwa das Einschlagen von Nägeln – erlaubt sind. Die gewünschte Eingriffstiefe sollte jeweils im Vorfeld mit den Eigentümer:innen abgesprochen werden. Am wichtigsten bleibt aber deren Offenheit – und ihr Vertrauen in die Kraft der Kunst.  

Gibt es weitere Ideen, um Kunstschaffende in der Region zu unterstützen – auch solche, die bisher noch nicht realisiert wurden? 
Visarte Zentralschweiz ist bereits sehr aktiv: Unsere Ausstellungskommission organisiert jährlich zwei grosse Ausstellungen – eine in der Kornschütte Luzern und eine in der Galerie Kriens für unsere Neumitglieder. Zudem gibt es das Projekt «Kunst im Fluss», das sich mit künstlerischen Interventionen entlang der Reuss und der Kleinen Emme befasst. Auch unsere Kommission «Kunst + Bau» leistet wichtige Arbeit in der Vermittlung von Kunst und Bau. 

Besonders am Herzen liegt mir die Kunstauktion KISSTHEHEN, die ich letztes Jahr gemeinsam mit der Künstlerin Monika Kiss Horvath ins Leben gerufen habe. Dabei kamen ausschliesslich Werke zeitgenössischer Künstler:innen – vorwiegend aus der Zentralschweiz – unter den Hammer. Der grösste Teil der Einnahmen ging direkt an die Kunstschaffenden selbst, ein Teil floss an die Stiftung zur Unterstützung bildender Künstler:innen in wirtschaftlicher Notlage. Eine echte Win-Win-Situation – und genau deshalb wird es auch dieses Jahr wieder eine Ausgabe geben. 

Was mir sonst noch vorschwebt? Vielleicht eine öffentlich sichtbare Galerie der Woche – ein wechselndes, kuratiertes Schaufenster, das ganz unterschiedlichen künstlerischen Positionen Raum bietet. 

Was wünschst du dir für die Luzerner Innenstadt in Bezug auf Kunst – oder umgekehrt? 
Ich wünsche mir, dass Leerstände nicht länger als totes Kapital betrachtet werden, sondern als Chance: für Begegnung, für Sichtbarkeit, für kulturelle Lebendigkeit. Eigentümer:innen, die ihre Flächen monatelang hinter Milchglasfolie verschwinden lassen, tragen zur Verödung der Innenstadt bei – das kann und darf sich Luzern nicht leisten. Kunst ist kein Lückenfüller, sondern ein Motor für Vitalität und Attraktivität. Davon profitieren nicht nur die Kunstschaffenden, sondern vor allem auch Gewerbe, Tourismus und Stadtmarketing. Wer ernsthaft Interesse an einer lebendigen Innenstadt hat, muss sich auch ernsthaft engagieren – ideell wie finanziell. Gemeinsam können wir Luzern als Kulturstadt mit Ausstrahlung weiterdenken und beleben. Jetzt ist der richtige Moment, um Verantwortung zu übernehmen und aktiv mitzugestalten. 

Sind bereits weitere Projekte geplant – ähnlich wie jenes an der Gerbergasse? 
Ja – wir hatten gerade eine Begehung in einem leerstehenden Gebäude. Ein riesiges und sehr spannendes Objekt mit enormem Potenzial für Ausstellungen, Performances, Veranstaltungen ... Ein solcher Ort eröffnet neue Dimensionen für die Sichtbarkeit von Kunst im Stadtraum – und könnte als temporärer Kunst- und Kulturort ein echtes Highlight für Luzern sein. Aber klar ist: Ein Projekt in dieser Grössenordnung braucht eine solide Mitfinanzierung. Die infrastrukturellen Anforderungen, die Koordination und Bespielung auf mehreren Ebenen – das ist ohne zusätzliche Unterstützung nicht zu stemmen. Positiv ist: In unserem Verband haben wir Mitglieder mit grosser Erfahrung in der Realisierung von komplexen Projekten. Wir bringen das Know-how mit, um mit so einer «grossen Kiste» umzugehen – und arbeiten aktuell an einem Konzept, das sowohl künstlerisch als auch organisatorisch überzeugt. Noch sind viele Fragen offen – doch wir sind voller Tatendrang und bereit, diesen besonderen Ort gemeinsam mit engagierten Partner:innen zu entwickeln. 

Und wir sind gespannt, was das City-Management noch an Möglichkeiten vermitteln kann – selbst wenn es «nur» ein einziges Schaufenster ist. 

Barbara Hennig Marques, Präsidentin Visarte Zentralschweiz an der Gerbergasse